Vom Leben, Bauen und Wohnen
Scheunencafé zum Wandel der Dörfer
AUTOR Felicitas WehnertMit dem „Wandel der Baukultur und der Kulturlandschaft im Landkreis Esslingen von 1973 bis 2023“ beschäftige sich eine gut informierte Gesprächsrunde von Kommunalpolitiker*innen und auch etlichen jüngeren Interessierten beim ersten Scheunencafé im Jubiläumsjahr von Landkreis und Kreissparkasse. Dabei ging es vor allem um die Veränderung der Dorfkerne in den letzten 50 Jahren und um Impulse für heutige Formen des Bauens und Zusammenlebens.
„In den 1970er Jahren sind die Dörfer in eine andere Zeit katapultiert worden“, stellte die stellvertretende Museumsleiterin Dr. Petra Naumann eingangs die Ausgangsituation vor. Durch die Verbreiterung der Ortsdurchfahrten, die Erweiterung der Hofanlagen sowie die Umgestaltung der Ortskerne - meist mit standardisierten Neubauten - verloren viele Dörfer ihr Gesicht.
Die alten Bauten hatten ausgedient und erinnerten wohl auch an die vormalige Armut. Wohnen sollte heller und großzügiger werden. Zudem forderte die rasant wachsende Zahl der Autos ihren (Park-)Platz. Das veränderte das Bild vieler Dörfer.
Die Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Christel Köhle-Hezinger öffnete dem Publikum die Augen, was sich aus alten Vorkriegs-Fotografien über das Leben im Dorf ablesen lässt: „Es war mordmäßig dreckig“, stellte sie drastisch klar, weil der Boden der Wege und Straßen aus offener gestampfter Erde und Lehm bestand. Auf den Fotos sind viel mehr Menschen und vor allem Kinder zu sehen, führte sie weiter aus, und: „Vor den Häusern steht viel mehr Kruscht“, denn der öffentliche Raum wurde auch als privater Abstellplatz für Gerümpel, Arbeitsgeräte und Holz genutzt.
Die Gemeinderätin Gabi Goebel zeigte anhand einiger Fotos von Bissingen an der Teck die Veränderungen in ihrem Heimatort auf: Das Haushaltswarengeschäft und andere Läden sind verschwunden. Die spielenden Kinder auf den Straßen mussten dem Verkehr und den parkenden Autos weichen. Die dörflichen Treffpunkte haben sich nach anfänglichem Fremdeln in das neue Straßencafé verlagert. Diese waren Teil der ersten Dorfentwicklungsprogramme, die sich häufig mit der Planung von Wasserspielen, gepflasterten Straßen und eben Straßencafés am städtischen Leben orientierten.
Einig waren sich in der anschließenden Gesprächsrunde alle darüber, dass die raumgreifende Automobilkultur sich ändern muss. Und dass es dazu dringend Impulse von außen bedarf, mit Anregungen und Fördermaßnahmen, wie sich neue Häuser angemessen in das Ortsbild integrieren, und wie sich das Bauen und Zusammen-Leben im Dorf weiter entwickeln kann.
In zwei weiteren Scheunencafés geht es im Jubiläumsjahr um die Veränderungen in den letzten 50 Jahren: Am 30. Juli ist der Wandel des sozialen Lebens Thema und am 10. September werden Perspektiven für unsere gemeinsame Zukunft gesucht.